Edition #7
ES GIBT KEINEN EINFACHEN WEG, UM SICH ZU VERABSCHIEDEN

Ich schreibe euch aus meinem Schreibzimmer, welches fast schwerelos inmitten der luxuriösen Farben der Berge von Virginia schwebt. Ich bin vor einer Weile nach Hause gekommen, nachdem ich die letzten 6 Monate aus meinen Koffern gelebt habe. Es fühlt sich für mich immer seltsam und dennoch bequem an wieder hier zu sein… Alles ist so friedlich, von der tiefen Gelassenheit des Waldes bis zur Harmonie des Tierreiches, welches darin lebt, das gesamte Ökosystem arbeitet in einer Ruhe, welche ich kaum erfahren durfte – wenn überhaupt. Aber ich bin unglaublich dankbar dafür, wann immer ich über dessen gnädiges Wesen nachdenken kann, wann immer ich genug Zeit hier verbringe, um sogar meine Koffer auszupacken, was ich gestern gemacht habe, was bedeutet, dass ich vielleicht etwas länger hier bin.

Ich habe letzte Woche einen Freund verloren... vielleicht fühle ich mich deswegen heute so trostlos. Er hat sich sein Leben genommen.

Ich habe ziemlich viel in diesem Raum geschrieben, der vom Rest des Hauses isoliert ist, vom Rest der Welt, wo ich mit mir selbst allein sein kann, umgeben von Wänden aus langen Fenstern, ein Ort, der vor hunderten von Jahren für die entworfen wurde, die eine zerbrechliche Gesundheit haben und zur Krankheit neigen, um im Winter frische Luft zu bekommen, um wann immer nötig Ruhe zu bekommen… Er passt irgendwie perfekt zu mir. Vom ersten Moment an, als ich das Haus besucht habe, wusste ich, dass dieser Raum mein Schreibzimmer wird. Es gibt solche Dinge, die man nicht erklären kann; man folgt entweder deren zarten Führung oder leugnet ihre unsichtbare Anziehungskraft vollständig. Das großartige Chaos in Tanger hat mich das gelehrt, aber erst als ich in der Ruhe meiner aktuellen Umgebung gelebt habe, habe ich es endlich akzeptiert die asymmetrische Form der Existenz zu erkunden, oder zumindest was sie für mich bedeutet.

Ich habe letzte Woche einen Freund verloren… vielleicht fühle ich mich deswegen heute so trostlos. Er hat sich sein Leben genommen. Einige sagen, dass es eine endgültige Tat der Feigheit ist… aber so etwas zu sagen bedeutet auch, dass man nicht viel vom Herz versteht, von dem Umfang, in dem der Kummer einen festhalten kann. Gesegnet sind die, die ihre eigene Dunkelheit erobern konnten… Aber es gibt andere, wie mich, wie meinen Freund, der seinen Kampf verloren hat, die ihr gesamtes Leben für eine Balance zwischen Licht und Dunkelheit kämpfen müssen, ohne aufzugeben. Ich habe so oft gehört, dass Selbstmord der Mangel an Liebe für andere ist, obwohl die Realität für die, welche diese Einbahnstraße nehmen, oft so aussieht, dass sie ihren Geliebten und denen, die von ihrer Verzweiflung betroffen waren, ein endgültiges Geschenk des Friedens anbieten. Ein Herz ist tiefgründiger, als das was wir daraus machen wollen, um uns von unserem Wohlbefinden zu überzeugen, weswegen wir so oft als Abhilfe unserer Not das Undefinierbare zu definieren in das vollkommene eintauchen müssen. Die Notwendigkeit zu verstehen bedeckt einen Großteil unserer Angst, die wir davor haben das zu verstehen, was wir in unserem Leben verleugnen. Ignoranz ist vielleicht eine Wonne, aber Emotionen, egal ob sie echt sind oder nicht, werden trotzdem gefühlt, egal woraus sie bestehen. 

Wir tendieren dazu zynisch zu werden, während wir bezeugen, wie das Leben seine Realität entfaltet, während wir den Glauben an unsere Fähigkeit verlieren zu den Träumen zu werden, welche wir mit so vielen Details und großer Vorsicht definiert haben, seit wir Kinder waren.

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die von psychischen Krankheiten betroffen ist. Bevor mein Vater ein Christ wurde, hat er viel Zeit damit verbracht seinen Schmerz mit Alkohol zu lindern, so wie viele es mit Tabletten, Sport, Unterhaltung oder Besitztümern machen, um ihren eigenen Schmerz zu lindern. Ich bin damit aufgewachsenen seinen tiefen Kampf mit Depression und Verzweiflung zu bezeugen. Seine Mutter war auch so. Sie ist wegen einem gebrochenen Herzen gestorben, zu jung, um zu sterben, zu unglücklich, wie niemand sein sollte. Diese Qual folgt mir, sie ist ein Teil von mir. Ich weiß es. Die, die mir nahe stehen wissen es. Es ist ein einsamer Ort, voller unerbittlicher Paradoxen und unbeschreiblicher Gegensätze. Es ist, als wenn man ein wenig außerhalb des Fokus lebt. Nicht verschwommen genug, damit die Realität völlig außer Reichweite ist, aber auch nicht klar genug, um ein Teil dieser Realität zu sein. Und so sehr die eigenen Geliebten bei einem sein wollen, möchte man nur, dass sie von dieser ewigen Trauer ausgeschlossen sind, bis man sich vollständig verschließt, da man sich fühlt, als wenn selbst die eigene Haut diesen traurigen Duft der emotionalen Qual produziert. Es ist dezent, da man noch funktioniert, noch den Anschein wahrt, als wenn es einem langsam besser geht, man spielt für diejenigen, die man liebt, damit sie in ihrem eigenen Leben eine Erleichterung haben… bis man es nicht mehr spielen kann. In dem Moment wird man unerreichbar, manchmal so schlimm, dass man nichts mehr spüren möchte… Leben, Tod, ewiger Schmerz… Es macht keinen Unterschied mehr, unabhängig von den sogenannten Experten, die über die Geschichte sinnieren, die wir bereit sind zu glauben, um allem einen Sinn zu geben.

Ich fand es immer schwer diese innere Ahnung gehen zu lassen. Wir tendieren dazu zynisch zu werden, während wir bezeugen, wie das Leben seine Realität entfaltet, während wir den Glauben an unsere Fähigkeit verlieren zu den Träumen zu werden, welche wir mit so vielen Details und großer Vorsicht definiert haben, seit wir Kinder waren. Es ist ab einem Punkt so, als wenn unsere Erinnerungen plötzlich das Theater unserer eigenen Enttäuschung werden, gefüllt mit mehr Düften von Niederlagen und Fehlern, als mit Geschrei von persönlicher und gemeinsamer Freude… Als wenn unsere Erinnerungen nur noch tragende Bilder sind, die reflektieren worauf wir nicht mehr länger schauen können, was wir leugnen oder erzählend umschreiben, umbauen und umgestalten müssen… Einige haben die unglaubliche Stärke das zu tun, aber die meisten haben sie nicht. Aber ich weiß nicht, welches von beiden das tragischere ist, wenn ich wirklich ehrlich bin…

Und so wie Akzeptanz uns erlaubt durch unsere eigene Dunkelheit zu sehen, erlaubt Liebe uns zu berühren und berührt zu werden.

Ich habe erstmals versucht mein Leben zu nehmen, als ich 16 Jahre alt war. Ich habe gefühlt, dass ich genug gesehen habe… Mein bester Freund hat mich gefunden, mich gerettet. Wir haben danach nie wirklich darüber gesprochen. Ich bin weiter in etwas aufgewachsen, was sich wie ein langsamer Selbstmord anfühlte. Es gibt immer einige Momente der Klarheit, in denen das Licht auf eine zu wunderbare Weise leuchtet, so dass man die Existenz von Gott nicht leugnen kann, bis kein Licht mehr da ist und ich mit den Echos meiner eigenen Stimme zurückbleibe, die in meinem Kopf immer die gleiche Trauerhymne flüstert. Es braucht viel Liebe, um bei Menschen zu sein, die mit ständigem Kummer kämpfen… Es ist wie eine nie endende Leere, die man versucht zu füllen, ohne deren Natur zu verstehen… Und das ist das Schrecklichste; den eigenen Zustand zu akzeptieren, den Schmerz anzunehmen, ist oft nicht das Problem, aber oftmals ist es die Schande so „schwach“ und „unpassend“ zu sein, was einen in den eigenen Augen unerträglich macht… Bis man es akzeptiert. Bis man sich so sieht, wie jemand der teilweise blind ist. Man muss dem Trauen, was man nicht vollständig erkennen kann. Man muss neue Sinne entwickeln, um weiterzumachen. Man muss die Prellungen akzeptieren, die es mit sich bringt, den Frust dieses gefühlsbedingten Defekts. Man hat den Stock, die helfenden Hände, das Verständnis verachtet und das Mitgefühl fühlt sich wie Mitleid und Wohltätigkeit an. Aber Akzeptanz bringt einen dazu weiterzumachen, damit es sich hoffentlich irgendwann normal anfühlt, damit man einen Sinn darin erkennt. Man entwickelt einen neuen Blickwinkel, einen eigenen Instinkt. Es heilt den Schmerz nicht, aber es ist eine Linderung, um langsam wieder den längst verschwundenen Glauben an ein besseres morgen zu nähren…

Ja, einer meiner Freunde ist gestorben und er hat mehr Liebe zurückgelassen, als er aufnehmen konnte… Es wäre eine Katastrophe diese Liebe dem Drang der Hoffnungslosigkeit zu überlassen, die solch eine Verwüstung in uns erschafft. Besonders da die Welt sich momentan in solch einem Aufruhr befindet. Wir alle müssen uns irgendwie dieser Verwirrung stellen, und zu oft kostet es uns alles und löst den Glauben auf, den wir für solche Momente der Unbestimmtheit behalten haben… Ist Liebe die Antwort? Warum sollte sie nicht? Da man sie so einfach vortäuschen kann? Da wir wissen, dass wir Experten darin wurden ihre Formen zu fälschen, nachdem wir so oft durch deren unerfüllten Versprechen verletzt wurden? Aber trotzdem wollen wir glauben. Wonach sollen wir uns sonst sehnen? Und so wie Akzeptanz uns erlaubt durch unsere eigene Dunkelheit zu sehen, erlaubt Liebe uns zu berühren und berührt zu werden. Und ich muss an ihre verwandelnde Natur glauben, so wie ich nicht an meine Fähigkeit glaube, in Zeiten solch trauriger Krisen über meine eigene Verwirrung hinwegzusehen. Ich weiß, dass anzuerkennen, dass ich andere brauche, egal wie laut die Worte „schwach“, „beschämend“, „unpassend“ in meinem Kopf klingen, enthüllen wer ich bin… Es stimmt, es ist nie einfach sich zu verabschieden. Aber wieder glaube ich, dass Ehrlichkeit, mehr als mein Wunsch nach Vollständigkeit, Liebe hinter dem Spiegel meiner eigenen Untreue ist…. Vielleicht war da nie ein Spiegel, nur meine Entscheidung zu akzeptieren, dass ich wahrnehmen kann, was ich vielleicht nie sehen werde… Und darin finde ich Hoffnung und Trost. Immer.

Alles Liebe,

AHF

PS: Falls ihr sprechen müsst, wenn ihr euch depremiert, verloren fühlt oder mit Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit kämpft, dann zögert bitte nicht andere zu erreichen, seien es Freunde oder Fremde. Man muss in der Dunkelheit nicht allein sein, aus welchen Gründen auch immer wir das machen… Glaubt mir… Ich weiß es!

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