Edition #35
Ein Strom kreativen Lebens

Meine geschätzten Brüder, Schwestern, Freunde und Geliebten, ich hoffe euch allen geht es großartig und dass ihr die Gelegenheit habt, die bunten Farben des neuen Jahres in diesen meist doch recht hektischen Strömen des Lebens zu genießen. Eure Worte zum Tode MacKayes haben mich tief berührt und mir wieder bewußt werden lassen, dass ich nicht alleine bin, sondern in einer Art und Weise von Euch so mitfühlend unterstützt wurde, dass mir die Worte fehlen… Ich danke Euch aufrichtig.

Die Natur findet immer Ihren Weg

Ich war in der letzten Zeit ziemlich still und habe, ausser, dass ich mehr alleine war, als ich es eigentlich sollte, einige Augenblicke nutzen können, die wundersamen Metamorphosen der Natur zu beobachten, und die vielen neue Kreaturen die sich meinen Wohnsitz als Ihr neues Zuhause auserkoren haben – zum Beispiel ein Paar Rotfüchse, die jetzt in meinem Hinterhof wohnen, einen Schwarzbären, der genug vom Winterschlaf hatte, ein beeindruckendes Rudel von 12 bis 15 Rehen, die vom Land meines entfernten Nachbarn zu meinem Haus übergesiedelt sind, bis hin zu einer beeindruckenden Herde wilder Truthähne und unzähligen Kaninchen. Die meisten Zugvögel sind zwar noch nicht zurück, aber es dürfte nicht mehr lange dauern… Ich kann schon die frühe Austreibungsphase der Bäume sehen… Es hatte sogar noch ein wenig geschneit, bevor die Temperaturen nur zwei Tage später schon auf 20°C stiegen… Der Bach verwandelte sich ebenso schnell von einem gefrorenen Stilleben in eine enthusiastisch stürzenden Kaskade. Dies ist auch, warum es mir hier so gefällt; es ist ein Spiegelbild des Lebens, das sich immer wieder neu entwickelt und entfaltet. Alles hat seinen eigenen Rhythmus und definiert seine Zyklen auf geheimnisvolle Weise immer wieder neu… Das Beobachten dieses beeindruckenden Schauspiels hat mir geholfen, angesichts all dessen, was ich in letzter Zeit durchmachen musste, eine gewisse Form von innerem Gleichgewicht zu bewahren. Nie hätte ich gedacht, welch ein Segen es für mich sein würde, mein Herz auf diesem Berg zu verwurzeln. Dies passierte so ungeplant wie die Wildnis hier.

Und so verlasse ich mein Zuhause

Ich bin gerade dabei, meine Sachen zu packen, um für eine längere Zeit von zu Hause weg zu sein. Seit dem Tod von MacKaye bin ich emotional abwesend. Es gibt Räume im Haus, die ich seither nicht mehr betreten habe. Es liegen einfach zu viele Souvenirs, Erinnerungsstücke und Spielsachen herum, die mich immer wieder daran erinnern, wie sehr ich ihn vermisse…

Alles befindet sich in einer Art Stillstand. Auch Leonard mit seiner sonst so fröhlichen Persönlichkeit, ist nicht mehr ganz derselbe. Ich schätze, wir treiben beide in einem Strom affektiver Distanziertheit. Eines ist sicher: mein Zuhause war noch nie so leer und ruhig. Ich habe endlos viel gearbeitet, so wie ich es immer mache, um mich nicht mit dem Schmerz auseinandersetzen zu müssen, den meine Seele gerade ertragen muss. Wie ich einem Mitglied und lieben Freund meiner neuen Management-Familie schrieb: dies ist nicht wirklich eine gesunde Art, um diese ganze Sache zu verarbeiten – ich weiß, ich war früher Sozialarbeiter. Man muss schon die Ironie des zu schätzen wissen… Zum Glück habe ich mir trotz allem einen gewissen Sinn für Humor bewahren können.

Ich habe MacKaye noch nicht seiner letzten Ruhestätte übergeben. Vielleicht ist es das, was am meisten wehtut. Seine Asche ist bei mir, in der Box, die ich inzwischen vor Wochen vom Bestattungsinstitut abgeholt habe. Ich habe sogar noch zwei Urnen… ebenfalls immer noch verpackt. Ich weiß, dass ich das Thema nicht länger aufschieben kann, da ich morgen abreise, und ich möchte seine Überreste auf keinen Fall so zurücklassen.Ich hätte nie gedacht, dass ich so geschädigt bin, oder vielleicht wollte ich nie zugeben, wie sehr ich es war. Noch so eine Ironie, vor allem, weil es mich direkt zu dem zurückführt, was ich als meinen „dunkelsten Raum“ bezeichne, einen Ort aus Spiegeln,der Schicht um Schicht meines Lebens in Überlagerungen aus verschiedenen Blickwinkeln auf eine langsame und quälende Weise projiziert. Ich gebe keiner Person, keinem Umstand oder dem Universum die Schuld für das, was ich gerade durchmache oder denke, dass ich es tue, aber ich hinterfrage und analysiere mich über alle Maßen und das unaufhörlich. Mein Vater war genauso… Es hätte ihn fast umgebracht, was er auch einige Male versuchte, bevor er letztendlich Antworten in dem ihn transformierenden Glauben in Jesus fand. Als er dann starb befand er sich in einem phantastischen Zustand des Friedens und freudiger Erregung… Also sieht man mal wieder, die Hoffnung stibt zuletzt… Und ja, ich bin gerade sarkastisch.

Während des Packens fiel mir auf, wie viele der Dinge, die ich habe, immer noch eingepackt sind. Als ob ich nicht schon verrückt genug wäre: hier sind noch ein paar Hinweise! Ich stellte fest, dass ich mehr als 20 Paar Jeans desselben Modells und derselben Größe besitze, die ich seit 20 Jahren trage, und die meisten davon liegen in „Touring“-Abteilung in meinem Kleiderschrank. Alle meine klassischen Hemden und Polos lagen dort zusammen mit diesen ganzen Jeans, gemeinsam mit einem großen Pack gleicher, schwarzer T-Shirts und Unterwäsche, sowie einer beeindruckenden Vielfalt an ‘Stance’-Socken in allen möglichen Farben und popkultur-Designs. Schuhe, Schuhe, Schuhe… Die gleiche Marke, die gleichen Modelle. Alles „Touring“-Sachen, die mich daran erinnern, dass ich die meiste Zeit meines Lebens ein Nomade war, eine Art Durchreisender, der überall, wo ich hinkam, ein kleines Bündel Gepäck zurückließ, wie eine Art Beweis dafür, dass ich wirklich alle diese Orte durchreist habe. OK, ich habe nicht wirklich Gepäckstücke zurückgelassen, das ist nur eine Metapher, aber eine, die dennoch eine lebhafte Symbolik hat. Der Silberstreif am Horizont ist, dass all dieses „Tournee-Zeug“ jetzt sozusagen nur ‘eingelagert’ war, hat mein Leben davor doch nur aus in einem einzigen, großen Reisegepäckstück bestanden – vielleicht erklärt das ja, warum ich nicht wirklich bereit bin, Virginia zu verlassen… Der erste Ort, den ich meine Heimat nennen würde. Nicht ‘Heimat’ wie die Band oder unsere Gemeinschaft, sondern mein Platz, mein Versteck, mein persönlicher Zufluchtsort…

Mehrere Exemplare eines gleichen Artikel zu haben hat auch den Vorteil, dass ich mir keine Gedanken über die Außenwirkung meiner eigenen Identität machen muss. Da ich in einer finanziell prekären Familie aufwuchs, wurde ich nach der Schule regelmäßig von den reichen Kids verprügelt, weil ich keine coolen Marken trug. Man muss keinen Kurs in Sozialökonomie besuchen, um zu verstehen, wie die Welt funktioniert, wenn man das Gefühl hat, den ganzen Winter lang nur die Einfahrten seiner reichen Freunde schaufeln zu müssen, um sich ein einziges Teil von dem leisten zu können, was gerade angesagt ist… Heutzutage, wo mir angeboten wird, für das Tragen bestimmter Marken Geld zu bekommen, bin ich einfach nur dankbar, dass ich mittlerweile in einer Position bin, in der ich diese Angebote dankend ablehnen kann. Es wäre zynisch, da es immer noch so viele Kinder wie mich früher gibt, die immer noch jeden Tag aus denselben Gründen verprügelt werden. Ich schätze es, nicht jedes Mal drüber nachdenken zu müssen, was für eine offizielle Uniform ich tragen muss, sobald ein Foto oder ein Video gemacht wird. Ich ziehe Integrität einer ästhetischen Zurschaustellung immer vor.

Die nächsten Studio-Sessions, eine neue Übergangsphase des Albums

Die Rückkehr ins Studio, in unser Band-Hauptquartier hat den absolut gegenteiligen Effekt auf mich. Dieser Ort trägt immer noch den Geruch vielen Leidens, Enttäuschungen, freundschaftlichen Verrates und dem Ende meiner naiven Utopie eines glückseligen Lebens in einer gemeinschaftlichen Kommune, nehme ich an. Es zerreist mir nicht mehr so das Herz wie früher, aber die Gespenster der Vergangenheit geistern immer noch in irgendeiner Form dort herum. „Und warum gehst du dann dorthin zurück, um an deiner nächsten Platte zu arbeiten?“, könnte man sich fragen. Nun, ich denke, dies ist ein Teil des Prozesses für mich…

Nicht das Leiden, sondern die Befreiung von diesen Gespenstern, die in mir herumspuken, wenn ich an mir selbst zweifle oder das Gefühl habe, dass ich mich in einer Übergangsphase befinde. Ich habe es nicht so mit Bedauern und der Reue, ich bin ein positiv-offener, kartesischer Mensch, zumindest denke ich das. Daher ist die Vorstellung, die nächsten drei Monate an einem Ort zu verbringen, an dem ich es normalerweise nicht länger als 24 Stunden am Stück aushalte, um dort mein nächsten Album zu schreiben, nicht nur sehr reizvoll, sondern auch genau das, was ich in diesem wichtigen Moment der Selbstentfaltung tun sollte. Es scheint auf vielen Ebenen paradox zu sein, und das ist genau der Sinn der ganzen Sache.

Zweifel ist ein lähmendes Mittel, ähnlich wie Angst rückschrittlich ist. Und um herauszufinden, was ich in den nächsten Schreibsitzungen kanalisieren möchte, muss ich allen Bequemlichkeit einer kreativen Erkundung entsagen und mich völlig dem hingeben, wovor ich immer am meisten Angst hatte: der Sinnlosigkeit. Es ist etwas, mit dem ich schon lange gelernt habe zu leben, aber gleichzeitig ist es ist die größte Lüge, die man sich selbst einreden kann: dass man sie annehmen muss, wenn man das Paradigma überleben will, das der Verstand im Laufe der Zeit aufgebaut hat, um Schwierigkeiten und Nöte zu überstehen, wenn die Realität der emotionalen Taubheit keinen „Schutz“ bietet. Es ist genau das Gegenteil… Es birgt nur den Verzicht auf Selbstverwirklichung, nichts weiter. Es ist die Angst vor dem Sein. Zumindest ist es das für mich.

Es wird für mich auch das erste Mal sein, dass ich mich sofort in ein völlig neues, kreatives Unterfangen stürzen werde, bevor das, was ich gerade erst vor ein paar Tagen abgeschlossen habe, überhaupt veröffentlicht wurde. Eigentlich hätte ich gerade mit meinem Albumproduzenten anfangen sollen, an diesem ungeformten Stück Lehm zu arbeiten, aber ich hatte einen Monat vor den Weihnachtsfeiern beschlossen, die Arbeit zu verschieben. Auch wenn es bei MacKaye so aussah, als würde es auf eine Remission hinauslaufen, hatte ich dennoch das starke Bedürfnis, alles ein wenig hinauszuschieben zu müssen. Ich träumte sogar davon, was wahrscheinlich die unbewusste Projektion meiner tiefen Sorgen und Ängste um seinen Zustand war. Jetzt mit der Erkenntnis, wie sich seine Krankheitsgeschichte entwickelt hat, bin ich unglaublich dankbar, dass ich meinem Instinkt gefolgt bin, und noch viel dankbarer, dass alle Beteiligten bereit waren, auch Ihre eigenen Lebenspläne zu ändern, um mich in dieser Sache zu unterstützen. MacKayes plötzlicher Abschied hat etwas Reines in mir zerbrochen, und ich glaube nicht, dass ich in der Lage gewesen wäre, weiterzumachen und mich durch einen so intensiven Prozess zu kämpfen, wenn es passiert wäre, wären wir alle schon zusammen im HQ Church Studio gewesen.

Das ist das letzte greifbare Geschenk, das MacKaye mir gemacht hat, eines, das es mir erlaubt, kommende Projekte mit weniger unscharfer Perspektive anzugehen, mit einer größeren Wertschätzung des Lichts, das jetzt am Morgen in dieser sich wandelnden Jahreszeit langsam erstrahlt und seine subtilen, zarten Konturen enthüllt. Es ist faszinierend zu erleben, wie dieses zerbrechliche und doch beständige Flackern vor meinen müden Augen erblüht, welche im Laufe der Jahre leider immer schwerer zu beeindrucken sind… Hoffnung macht die Tatsache, dass man Wunder nicht herbeisehnen kann und diese dennoch oft geschehen, wenn man es am wenigsten erwartet. Ein Wunder, das keinen religiösen Hintergrund braucht, um es zu erkennen und es geschehen zu lassen.

Besagter Produzent wird sich in drei Wochen zu mir gesellen, zusammen mit einem Studiotechniker. Es wird für mich das erste Mal sein, dass ich mit jemandem zusammenarbeite, mit dem ich noch nie etwas künstlerisch umgesetzt habe. Überraschenderweise war ich es, der diese Art von ungewohntem Setting wollte. Und hätte ich nicht schon die größte Bewunderung für die besondere Arbeit des Produzenten gehabt, so bewundere ich auch die Person hinter dem Produzent, als ich letzten Oktober eine Woche mit ihm, seiner Frau und ihrem Sohn in Tanger verbrachte. In so kurzer Zeit ist so viel passiert. Es fühlt sich bereits wie ein ganzes Leben an, seitdem ich meine Visionen, in denen ich mich gerne verlieren würde, mich ihm teilte.

So besorgniserregend alles für die anderen Projektbeteiligten auch wirken mag, so sehe ich es doch als eine gute Sache an. Ich wollte kein vorgefertigtes Szenario oder eine Art endgültigen Fahrplan. Nun, jetzt hab ich den Salat. Wir werden gemeinsam die Dunkelheit von den Schattenwänden des Albums schälen und zusammen entdecken was darunter liegt. Mehr will ich an dieser Stelle auch garnicht nicht wissen. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, welche der aktuellen oder ehemaligen Long Shadows-Mitglieder ich aktuell an diesem Prozess beteilgt sehe… so unverblümt sage ich euch das heute. Manche würden durchdrehen, aber ich nicht… Der Ort an dem ich aktuell stehe, hat eine emanzipative Dimension an sich. In drei Wochen wird alles einen Sinn ergeben, und auch wenn es bisher nicht so aussieht… es wird so sein.

Über mein demnächst erscheinendes multidisziplinäres Projekt

Ihr habt mich oft gefragt, wann ihr mehr über das Album- und Filmprojekt erfahren werdet, über das ich kürzlich berichtet habe. Es sollte jetzt nicht mehr lange dauern, ich habe Anfang letzter Woche alle visuellen Entwürfe fertiggestellt und die besondere Identität der Platte herausgearbeitet, wie ich für jedes Album mache, was ein ziemlich Unterfangen geworden ist. Habt noch ein wenig Geduld, glaubt mir, das Warten lohnt sich auf jeden Fall!

Und wie immer – nochmals vielen Dank für eure Großzügigkeit und Verständnis. Ich fühle mich so geehrt, dass Ihr mich mit so viel Offenheit und Herzlichkeit an eurer Reise teilnehmen lässt. Es ist ein unbeschreiblicher Segen für mich, zu wissen, dass ich zu Menschen mit diesem seltenen Einfühlungsvermögen und Wohlwollen gehöre.

Nach einem (oder zwei ;)…) kurzen Momenten werde ich weitere Infos mit euch teilen…

Alles Liebe,
Alex
Ich bin gerade dabei, meine Sachen zu packen, um für eine längere Zeit von zu Hause weg zu sein. Seit dem Tod von MacKaye bin ich emotional abwesend. Es gibt Räume im Haus, die ich seither nicht mehr betreten habe. Es liegen einfach zu viele Souvenirs, Erinnerungsstücke und Spielsachen herum, die mich immer wieder daran erinnern, wie sehr ich ihn vermisse… Alles befindet sich in einer Art Stillstand. Auch Leonard mit seiner sonst so fröhlichen Persönlichkeit, ist nicht mehr ganz derselbe. Ich schätze, wir treiben beide in einem Strom affektiver Distanziertheit. Eines ist sicher: mein Zuhause war noch nie so leer und ruhig. Ich habe endlos viel gearbeitet, so wie ich es immer mache, um mich nicht mit dem Schmerz auseinandersetzen zu müssen, den meine Seele gerade ertragen muss. Wie ich einem Mitglied und lieben Freund meiner neuen Management-Familie schrieb: dies ist nicht wirklich eine gesunde Art, um diese ganze Sache zu verarbeiten – ich weiß, ich war früher Sozialarbeiter. Man muss schon die Ironie des zu schätzen wissen… Zum Glück habe ich mir trotz allem einen gewissen Sinn für Humor bewahren können.

Ich habe MacKaye noch nicht seiner letzten Ruhestätte übergeben. Vielleicht ist es das, was am meisten wehtut. Seine Asche ist bei mir, in der Box, die ich inzwischen vor Wochen vom Bestattungsinstitut abgeholt habe. Ich habe sogar noch zwei Urnen… ebenfalls immer noch verpackt. Ich weiß, dass ich das Thema nicht länger aufschieben kann, da ich morgen abreise, und ich möchte seine Überreste auf keinen Fall so zurücklassen.Ich hätte nie gedacht, dass ich so geschädigt bin, oder vielleicht wollte ich nie zugeben, wie sehr ich es war. Noch so eine Ironie, vor allem, weil es mich direkt zu dem zurückführt, was ich als meinen „dunkelsten Raum“ bezeichne, einen Ort aus Spiegeln,der Schicht um Schicht meines Lebens in Überlagerungen aus verschiedenen Blickwinkeln auf eine langsame und quälende Weise projiziert. Ich gebe keiner Person, keinem Umstand oder dem Universum die Schuld für das, was ich gerade durchmache oder denke, dass ich es tue, aber ich hinterfrage und analysiere mich über alle Maßen und das unaufhörlich. Mein Vater war genauso… Es hätte ihn fast umgebracht, was er auch einige Male versuchte, bevor er letztendlich Antworten in dem ihn transformierenden Glauben in Jesus fand. Als er dann starb befand er sich in einem phantastischen Zustand des Friedens und freudiger Erregung… Also sieht man mal wieder, die Hoffnung stibt zuletzt… Und ja, ich bin gerade sarkastisch.

Während des Packens fiel mir auf, wie viele der Dinge, die ich habe, immer noch eingepackt sind. Als ob ich nicht schon verrückt genug wäre: hier sind noch ein paar Hinweise! Ich stellte fest, dass ich mehr als 20 Paar Jeans desselben Modells und derselben Größe besitze, die ich seit 20 Jahren trage, und die meisten davon liegen in „Touring“-Abteilung in meinem Kleiderschrank. Alle meine klassischen Hemden und Polos lagen dort zusammen mit diesen ganzen Jeans, gemeinsam mit einem großen Pack gleicher, schwarzer T-Shirts und Unterwäsche, sowie einer beeindruckenden Vielfalt an ‘Stance’-Socken in allen möglichen Farben und popkultur-Designs. Schuhe, Schuhe, Schuhe… Die gleiche Marke, die gleichen Modelle. Alles „Touring“-Sachen, die mich daran erinnern, dass ich die meiste Zeit meines Lebens ein Nomade war, eine Art Durchreisender, der überall, wo ich hinkam, ein kleines Bündel Gepäck zurückließ, wie eine Art Beweis dafür, dass ich wirklich alle diese Orte durchreist habe. OK, ich habe nicht wirklich Gepäckstücke zurückgelassen, das ist nur eine Metapher, aber eine, die dennoch eine lebhafte Symbolik hat. Der Silberstreif am Horizont ist, dass all dieses „Tournee-Zeug“ jetzt sozusagen nur ‘eingelagert’ war, hat mein Leben davor doch nur aus in einem einzigen, großen Reisegepäckstück bestanden – vielleicht erklärt das ja, warum ich nicht wirklich bereit bin, Virginia zu verlassen… Der erste Ort, den ich meine Heimat nennen würde. Nicht ‘Heimat’ wie die Band oder unsere Gemeinschaft, sondern mein Platz, mein Versteck, mein persönlicher Zufluchtsort…

Mehrere Exemplare eines gleichen Artikel zu haben hat auch den Vorteil, dass ich mir keine Gedanken über die Außenwirkung meiner eigenen Identität machen muss. Da ich in einer finanziell prekären Familie aufwuchs, wurde ich nach der Schule regelmäßig von den reichen Kids verprügelt, weil ich keine coolen Marken trug. Man muss keinen Kurs in Sozialökonomie besuchen, um zu verstehen, wie die Welt funktioniert, wenn man das Gefühl hat, den ganzen Winter lang nur die Einfahrten seiner reichen Freunde schaufeln zu müssen, um sich ein einziges Teil von dem leisten zu können, was gerade angesagt ist… Heutzutage, wo mir angeboten wird, für das Tragen bestimmter Marken Geld zu bekommen, bin ich einfach nur dankbar, dass ich mittlerweile in einer Position bin, in der ich diese Angebote dankend ablehnen kann. Es wäre zynisch, da es immer noch so viele Kinder wie mich früher gibt, die immer noch jeden Tag aus denselben Gründen verprügelt werden. Ich schätze es, nicht jedes Mal drüber nachdenken zu müssen, was für eine offizielle Uniform ich tragen muss, sobald ein Foto oder ein Video gemacht wird. Ich ziehe Integrität einer ästhetischen Zurschaustellung immer vor. Es ist komisch für mich, meine Sachen zusammenzupacken, vor allem weil ich weiß, dass die meisten der bevorstehenden kreativen Sessions für eine potentielle Doku gefilmt werden, welche den ganzen Entstehungsprozess begleitet. Ich mache mir Sorgen darüber, dass mir Fragen zur Bedeutung dessen gestellt werden, was mich umtreibt und dass ich die Gedanken hinter allem, was ich tue, erklären muss. Ich denke oft, dass ich der langweiligste Künstler bin, den man während seines Reifungsprozesses verfolgen kann, da diese Reise schlicht eine Abfolge von emotionalen, düsteren Schritten ist, die sich alle im Inneren abspielen und deren wahrer Wert verborgen bleibt, bis ein Funke des Lebens plötzlich wie von selbst alles aufblühen lässt. Ich bin immer wieder selbst überrascht, wenn das passiert. Also kein Wunder, dass ich meist nur Schwarz trage: ich suche Farben anderswo und ich bin selten für diese Art der Erhellung verantwortlich. Ich bin wie ein Entdecker, immer wieder begeistert über die erstaunlichen Charaktere der Figuren, die ich erkunde. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich mehr Bücher als Kleidung mitnehme…! Vielleicht ist das auch Teil meiner Pathologie, wenn ich mich weigere, mich an irgendwelche kreativen Schnittmuster zu halten und auch nicht dem zu vertrauen, was mir beim Schreiben so zufliegt, genauso wenig will ich meinen Geist irgendeiner Struktur unterwerfen. Ich habe meine eigenen Momente, und Lesen steht im Zentrum dieser Momente. Ich bin ein sehr langsamer Leser, ich mag es, aus dem, was ich lese, meine eigenen Bilder zu gestalten, Worten einen Duft und Kontexten bunte Kulisse zu geben. Ich erlaube meiner Fantasie, Geschichten umzugestalten, Themen neu zu definieren und Antagonisten umzuschreiben. Ein Buch ist wie eine Leinwand, welche unendlich viele Möglichkeiten anbietet, eine verstörende Welt, verstrickt in ein unendliches Universum von Neuinterpretationen zu entdecken… Wie ein Klang, der sich aus Schichten von Wellen zusammensetzt, die sich ausstrecken, um über das Zögern meiner Unsicherheiten hinaus zu strahlen, welches sie in ihrem eigenen Grollen tief unter mir gefangen hielt. Auch wenn es manchmal verwirrend scheint – meine BandkollegInnen würden sagen, so ist es meistens – wird alles einen Sinn ergeben, wenn ihre „Stimmen“ wachsen und meine schwächer wird. Deshalb kann ich mich auch so leicht für ein einziges Wort oder einen außergewöhnlichen Sound begeistern. Alles führt auf diese Momente der Einsamkeit zurück, in denen sich ein Lied, Poesie, visuelle Kunst oder etwas anderes in aller Stille zu manifestieren beginnt. Ich muss dazu bereit sein, wenn Stille und Einsamkeit mir helfen, das Unsichtbare in diesen Momenten der Meditation wahrzunehmen. Das erklärt dann hoffentlich auch dieses „mehr Bücher als Kleidung“-Ding, denn ich bin nun für 3 Monate weg… Das ergibt doch alles Sinn, oder?!? Antwortet lieber nicht…!

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